Ein Werkverzeichnis, das aussieht wie ein Rohentwurf. Ein Ausstellungskatalog, der keiner ist. Ein Buch, das fast nicht erschienen w?re - und gerade deshalb so viel erz?hlt: Das Wispern der Hecken ist ein leises Manifest wider den R?ckzug der ?ffentlichen Kulturf?rderung, ein kluges kuratorisches Experiment - und ein poetisch-fragiles Statement ?ber Kunst, Natur und das Verg?ngliche.
Der Kunstverein Schieder-Schwalenberg reagierte auf die kurzfristige Streichung von F?rdermitteln nicht mit Absage, sondern mit Improvisation: Kein fertiges Layout, keine korrigierten Texte, kein Hochglanzpapier. Was bleibt, ist ein Manuskript im buchst?blichen Sinne - mit sichtbar durchlaufenden Korrekturen, offenen Zeilenumbr?chen, formalen Br?chen. Und das Erstaunliche: Gerade diese Formlosigkeit f?hrt zu einer ungewohnten N?he zum Entstehungsprozess. Die Leser:innen begegnen dem Projekt nicht als Produkt, sondern als Denk- und M?glichkeitsraum.
Was zun?chst wie ein Provisorium erscheint, entpuppt sich schnell als ?sthetisches Statement. Kuratiert von Helga Ntephe und Gesa Reuter, vereint die Ausstellung 15 bildende K?nstler:innen mit etwa ebenso vielen Autor:innen - alle arbeiten zum selben Motiv: der Hecke. Doch sie taten dies unabh?ngig voneinander, ohne gegenseitige Einblicke. Entstanden ist so ein Dialog zweier Sprachen, der mehr ist als ein Nebeneinander - ein vielstimmiges Portr?t ?ber Wahrnehmung, Natur und kulturelle ?berg?nge.
Im Vorwort verweist Alexander Hilbert auf ein kunsthistorisches Fundament: Balzacs Das unbekannte Meisterwerk. Dort ruft der Maler Frenhofer aus: "Die Aufgabe der Kunst ist nicht, die Natur zu kopieren, sondern sie auszudr?cken."
Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch das Projekt: Die Kunst dr?ckt nicht aus, was sie sieht - sondern wie. Gerade darin liegt die St?rke des Konzepts. Denn Das Wispern der Hecken ist keine klassische Themenausstellung, sondern ein Versuch, zwei autonome Ausdrucksformen - Bild und Text - aufeinandertreffen zu lassen. Nicht zur Illustration, sondern zur Irritation, Erg?nzung, Reibung.
Die Hecke wird dabei zum Sinnbild f?r Zwischenr?ume: ?kologisch, poetisch, historisch. Sie steht f?r Schutz und Abgrenzung, Wildnis und Ordnung. Und sie ?ffnet in dieser Konstellation einen Erfahrungsraum, den der Katalog konsequent mittr?gt: ungesch?nt, offen, voller Spuren des Prozesses.
Ein Zitat aus dem Vorwort bringt den Ton der Ausstellung auf den Punkt: "Verstehen Sie 'Das Wispern der Hecken' nicht als klassische Ausstellung. Sondern als eine Art gedankliche Heckenwanderung - mit zwei eigenst?ndigen Erz?hlweisen, die sich kreuzen, ?berlagern, widersprechen oder erg?nzen."
Dass daraus ein so eigenwilliges Buch entstehen konnte, ist nicht trotz, sondern wegen seiner Produktionsbedingungen bemerkenswert. Es ist ein Manifest f?r das Unfertige, das Vieldeutige, das leise Widerst?ndige.?
Doch eine Frage bleibt: Wie lange k?nnen sich kleinere Kunstorte diesem Sparzwang noch entgegenstellen? Das Buch macht auch in dem Punkt Mut: Mit Herz, Hirn und Chuzpe - wie immer in der Kunst.?